Von Calais nach Dover

Als ich aufwachte, sah ich viele junge Leute, in Richtung des Tores, zum Warenhaus laufen und so schloss ich mich an. Ich schaute mich etwas um und war von der Größe beeindruckt. Man gab mir eine Tour und erklärte mir alles und ich unterhielt mich mit den freiwilligen Helfern dort. Tetris lief umher und zog, wie gewöhnlich, alle Blicke auf sich. Ich ließ meine Machete dort (Ja, ich reise mit einer Machete. Ein Werkzeug, keine Waffe.), da ich keinen Ärger an der Grenze haben wollte. Ich ließ mir den Weg zur Fähre erklären und nahm einen Bus dorthin.

An der Fähre angekommen, erfuhr ich, dass man, als Fußgänger, keinen Hund mitnehmen darf. Außerdem hatte ich in Bosnien den Pass für Tetris verloren. So lief ich wieder zurück in die Stadt und traf eine ältere Dame, die anbot auf Tetris aufzupassen, während ich in England war. So begleitete ich sie nach hause, wir tauschten Telefonnummern aus und ich versicherte ihr in einer Woche zurück zu sein.

Die Fähre kostete 40 € und brachte mich in knapp zwei Stunden nach Dover in England. Ich wollte gleich weiter kommen und fing an zu trampen – auf der linken Seite. Die Autos rasten und es gab kaum Haltemöglichkeiten. So stand ich viele Stunden dort ohne Fortschritt. Später kam ein Mann um die dreißig auf mich zu. Er wirkte stark angetrunken und hatte erhebliche Schwierigkeiten zu laufen. Er gab an gleich hinter dem Kreisel zu wohnen und wenn ich nicht weiter käme, könne ich gerne bei ihm vorbei kommen und bei ihm übernachten – Wohnung 6.

Als die Dämmerung einbrach und ich immer noch an der selben Stelle stand, ging ich zu dem Haus und klingelte. Er schien sich zu freuen, dass ich vorbei gekommen war und im Laufe des Abends erfuhr ich auch warum. Wir tranken Cider, der in drei Liter Flaschen abgefüllt war – kein kulinarischer Genuss, doch effektiv. Er hatte eine seltene Form von Leukämie, was auch erklärte, warum er so schlecht laufen konnte. Er lebt schon seit einiger Zeit in Isolation, hat kaum Freunde und trinkt viel zu viel. Meine Geschichte inspirierte ihn – er wolle auch ausbrechen, wie er erzählte. Er träumt davon in die Nomanslands in Schottland zu laufen (ironischerweise, wo er doch so lahm auf den Beinen ist) und von der Natur zu leben. Das höre sich sicher blöd für mich an, meinte er. Doch ich fand das überhaupt nicht blöd. Ich ermutigte ihn dazu, seinen Träumen zu folgen. Scheiß drauf, was die Anderen denken! So redeten wir bis tief in die Nacht und irgendwann fiel ich in komatösen Schlaf.

Ostern bei der Familie

Ich wollte mogens gleich weiter um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Felipe und Caroline begleiteten mich. Wir nahmen die S-Bahn und ich geriet in eine Kontrolle. Die Kontrolleure hielten mich fest und riefen die Polizei, die kurz darauf kam. Ich gab an, dass ich keinen festen Wohnsitz habe und während die eine Polizistin mir eine Moralpredigt hielt, prüfte der andere meine Personalien. Kurz darauf kam er zurück und gab mir meinen Perso mit den Worten: „Wir machen da nichts. Glück gehabt.“

Es war schönes Wetter und so liefen wir das restliche Stück bis zur Autobahn. An der Brücke verabschiedeten wir uns, ich überquerte diese und kletterte nach unten. Eine Einfahrt, die Haltemöglichkeit bot, sah nicht sehr günstig aus. Doch schon nach etwa zwanzig Minuten hielt jemand an und brachte mich fast bis nach Stuttgart. An einer belebten Raststätte stand ich keine halbe Stunde und wurde direkt bis nach Landau mitgenommen – in drei Stunden von Augsburg nach Landau. Schneller wie jeder Bus.

So kam ich an Karfreitag bei meiner Mutter an und blieb über Ostern dort. Meine beiden Brüder waren auch da und wir verbrachten eine schöne Zeit zusammen. Ich besuchte ein paar Freunde und am Ostermontag kam sogar meine Großmutter zum Essen vorbei.

Ich bekam eine neue Hose, Schuhe, einen Frisbee und eine PH-neutrale Seife und wurde schließlich bis nach Calais gefahren. Ich wusste, dass es in Calais auch eine Organisation gibt, die mit Geflüchteten arbeitet und wollte mir das mal ansehen, wenn ich schon mal dort bin. Wir kamen jedoch spät an und das Tor war bereits verschlossen. So baute ich mein Zelt auf und übernachtete dort.

Zwischenstop in Augsburg

Am Morgen verließ ich, gemeinsam mit meinem Bruder, die Wohnung und fragte einen älteren Herrn, wie ich zur Autobahn Richtung Stuttgart käme. So nahm ich Bus und Bahn und kam schießlich an die Straße, die stadtauswärts führt. Ich lief die Straße entlang und hielt mein Schild nach hinten, wenn ein Auto kam. Nach einer Weile hielt eine Frau mittleren Alters, die angab, nur wegen Tetris angehalten zu haben – nach dem Motto: wenn er einen Hund hat, kann er kein schlechter Mensch sein. Sie brachte mich zum Hauptbahnhof, obwohl sie eigentlich viel früher abfahren hätte müssen.

Wie auch in München war es unmöglich freies WLAN zu finden. Nicht einmal der Starbucks hatte welches. So lief ich planlos umher, in der Hoffnung irgendwo ein Netzwerk zu finden. Endlich fand ich einen Mc Donalds und rief Felipe an, der zu dieser Zeit mit Caroline hier in Augsburg war. Er nannte die Haltestelle und ich wartete auf die S-Bahn. Dabei kam eine ältere Dame auf mich zu und gab mir 10 € in Münzen – für den Hund, wie sie sagte.

An der Haltestelle Kulturstraße traf ich Felipe und wir liefen zu dem Haus, in dem Caroline wohnt. Überall standen Musikinstrumente herum. Im Wohnzimmer, wo man einen Fernseher erwarten würde, stand ein Klavier. Ich fühlte mich sofort wohl, obwohl das Haus zu der Zeit leer war. Tetris liebte den Garten und rannte wie wild hin und her. Nach einer Weile gingen wir etwas spatzieren und aßen im Burger King.

Als wir zurück kamen, war noch keiner zurück und so baute ich mein Zelt im Garten auf, in dem wir etwas dösten. Später kam Caroline und weitere Mitbewohner – alles sehr nette Leute. Wir unterhielten uns über dies und das und irgendwann ging ich dann in mein Zelt um zu schlafen. Tetris verließ das Zelt und schlief im Wohnzimmer auf der Couch, wo ich auch hätte schlafen können. Doch ich bevorzugte meinen Zeltplatz, der sich in Mitten einer Halbkugel aus einem hölzernen Skelett befand – erinnerte mich stark an das Iglu im Magic Garden in Riga.

Noch ein Tag München

Ich wollte keinen Rückstand der Beiträge mehr haben und entschied einen weiteren Tag zu bleiben. Ich genoss einen effekiven Flow und war noch vor Mittag up to date. Was ich mit dem restlichen Tag machen sollte, musste ich mir noch überlegen.

Ich entschied in der Wohnung zu bleiben und Snooker zu schauen. Als mein Bruder von der Arbeit zurück kam, gingen wir in ein Brauhaus, tranken Bier und aßen Schweinshaxe. Auf dem Bildschirm lief Snooker – herrlich.

Updaten

Die Tatsache, dass ich nun wieder unterwegs bin, allein mit meinen Gedanken, erzeugte einen Drang zu schreiben. Während meiner Zeit bei Belgraid war das nicht möglich – es fand keine Reflektion statt, da ich nie alleine war. Nun war es wieder Zeit, meine Gedanken niederzuschreiben und den Blog upzudaten. Dazu blieb ich in der Wohnung, während mein Bruder zur Arbeit ging. Ich wurde nicht ganz fertig, da ich lange schlief und etwas faulenzte.

Gegen Mittag ging ich zum Supermarkt und kaufte Weißwürste mit süßem Senf und Kartoffelsalat. In Serbien findet man keine wirklich gute Wurst und ich hatte Sehnsucht danach. Einfach lecker!

Als mein Bruder von der Arbeit kam, gingen wir in den englischen Garten. Es war bereits dunkel, doch Tetris hatte auch im Dunkeln Spaß am Schnüffeln. In München gibt es zahlreiche Restaurants, die bei der Aktion „too good to go“ mitmachen. Mit einer App kann man Essen bestellen, das am Abend weggeworfen werden würde. So erhält man sehr günstige Preise für ein Überraschungsmenü. Wir bestellten bei einem kolumbianischen Restaurant und machten uns auf den Weg dorthin. Für 8 € bekamen wir vier Burritos, die um einiges besser waren als von Burrito Madre. Da wir vor Ort aßen, bekamen wir noch Guacamole und Salsa umsonst. So etwas sollte es überall geben – ein sehr gutes Essen, das sonst in der Tonne gelandet wäre.

Wir waren mehrere Stunden unterwegs und es war kurz vor Mitternacht als wir zurück kamen.

Wieder in Deutschland

Ich war schon gegen 8 Uhr wach und baute mein Zelt ab, als ich erneut einen Streifenwagen einfahren sah. Zwei Polizisten kaSmen direkt auf mich zu und fragten, was ich hier tue. Ich gab an, dass ich nur auf der Durchreise sei und heute weiterziehen wollte. Ich wurde mündlich verwarnt, da ich wohl Sympathiepunkte sammeln konnte – mit Rucksack, Charme und Tetris.

Tetris hatte sich am Vortag verletzt. Vermutlich hat es ihm auf der Rolltreppe einen Nagel abgerissen. Ich wollte auf Nummer sicher gehen und ging zum Tierarzt. Es war früh und außer mir war niemand dort. Der Tierarzt untersuchte Tetris und sagte ständig „Schatzi“, was ich sau komisch fand. Dann gab er mir eine Salbe, trug ein Flohmittel auf und berechnete 40 € – Alter, für ne scheiß Salbe!

Danach nahm ich die U-Bahn nach Hütteldorf, wo die A1 nach München vorbei führt. Ich lief erst parallel und hoffte auf eine Haltebucht oder ähnliches. Später fand ich ein Geschäft für Tiernahrung und kaufte zum ersten Mal kein Welpenfutter mehr – Tetris ist jetzt ein Jahr alt und bekommt nun anderes Futter. Die nette Dame gab mir noch eine handvoll Leckerlis Probepackungen, was den hohen Futterpreis (3,99 € für 1 kg) geringer erscheinen ließ. Ich fragte auch nach einer Haltemöglichkeit, wo ich gut trampen könnte und so wusste ich, dass ich besser zurück laufen sollte, was ich auch tat.

An einer Bushaltebucht stand ich keine zwei Minuten und ein neuer Sprinter hielt an. Der Fahrer war Mitte fünfzig und ist in den Achzigern selbst viel um die Welt getrampt. Er ist aus Stuttgart, wo er auch hin fuhr und lebt seit dreißig Jahren in Wien. Da ich meinen Bruder in München besuchen wollte, ließ ich mich dort dann absetzten. Die Umgehungsautobahn war weit außerhalb des Zentrums, doch ich fand eine Bushaltestelle – drei Stationen nach Moosach mit U-Bahn-Anbindung.

In der U-Bahn-Station fand ich ein Telekom-Netzwerk, das entgeltlich ist. Was eine Unverschämtheit! Kein freies WLAN! Unfassbar! So nahm ich die Bahn zum Hauptbahnhof und ging zum DM, wo es immer freies WLAN gibt (wie sich das gehört, verdammt nochmal!). Ich rief meinen Bruder an und fuhr zum Laimerplatz um ihn zu treffen.

Wir schnappten uns unterwegs zwei Bier und gingen zur Wohnung, wo ich endlich meinen Rucksack ablegen konnte. Dann fuhren wir zum Japaner und schlugen uns mit all-you-can-eat-sushi den Bauch voll – viel zu viel natürlich. Völlig überfressen ging es zurück zur Wohnung, wo der Schlaf nicht lange auf sich warten ließ.

Ein Tag in Wien

Das erste Mal wachte ich auf, als ein Hund mein Zelt anbellte. Der Blick auf die Uhr verriet: 8 Uhr und die Sonne schien bereits auf das Zelt. Neeee, weiterpennen!

Dann hörte ich, wie Kinder Stöcke auf das Zelt warfen. Es war nach zwölf. Der Park war voller Menschen. So stand ich auf und packte alles zusammen. Ab in die U-Bahn und zurück zum Westbahnhof. Dort erfuhr ich, dass Tom am Vortag eingeschlafen war. Doch er wollte mich nun treffen und gab an in einer halben Stunde hier zu sein.

Wir liefen den ganzen Tag durch Wien, redeten und schauten uns die vielen beeindruckenden Gebäude an. Er lud mich zum Essen ein, wir tranken erst Kaffee, dann Bier. Am Abend musste er zurück, da er am nächsten Tag arbeitete. Ich vergaß mein Handy in einer Bar und wir mussten zurück dorthin. Dafür war es fast vollständig geladen. Wir verabschiedeten uns später und ich fuhr erneut nach Schönbrunn.

Im Park angekommen, ließ ich Tetris von der Leine und baute mein Zelt auf. Als ich bettfertig war, hörte ich Gebell und schaute aus dem Zelt. Ein Streifenwagen stand etwa fünfzig Meter entfernt und ich zog mich erneut an. Ein besorgter Hundebesitzer hatte die Polizei gerufen, da Tetris vermeintlich herrenlos sei. Er saß bereits im Wagen und wäre fast auf die Wache mitgenommen worden. Das geschah innerhalb von nicht mal zehn Minuten – krass. Ich entschuldigte mich für die Umstände und brachte Tetris zum Zelt zurück. Ich hatte einen Platz gewählt, wo sich die Schatten der zahlreichen Laternen überschnitten. So hatten die Polizisten mein Zelt nicht gesehen und ich konnte in Ruhe dort schlafen.

Scheiß auf Ungarn

An diesem Morgen war der Schnee fast geschmolzen und die Sonne schien angenehm. Doch die Tankstelle hier war äußerst schlecht besucht – vor allem von serbischen Fahrern. Somit dauerte es weitere sechs Stunden, bis ich schließlich nach Subotica, unmittelbar vor der Grenze kam.

Da ich am zweiten Tag noch immer nicht aus dem Land gekommen war und etwas Fortschritt für meine Motivation brauchte, entschied ich, einen Bus nach Wien zu nehmen und somit Ungarn zu überspringen. Ich wusste, dass ich in Budapest hängen bleiben würde und wollte dieses Risiko nicht eingehen.

Der Busfahrer verlangte für Tetris den vollen Fahrpreis. Ich war skeptisch – wahrscheinlich hatte er mich verarscht. Doch das war mir in dem Momet egal und so hatte ich meine restlichen Dinars los bekommen.

Die Grenze nach Ungarn war ein Alptraum. Es dauerte zwei Stunden. Hier herrschen strenge Vorgaben – nicht nur wegen der Flüchtlingssituation, sondern auch, weil Ungarn die erbarmungslosesten Drogengesetze Europas hat.

So, jetzt rate mal, wessen Tasche durchsucht wurde! Na klar, der bärtige mit der dunklen Haut. Typisch! Ich hatte eine Stunde gebraucht um alles, schön zusammengelegt, unterzubringen. Nun musste ich hastig stopfen, weil der Fahrer ständig Druck machte. Natürlich hatten sie nichts gefunden. Außer mein Waschpulver, welches sie außgiebig auf seinen Drogengehalt prüften und beim Umfüllen auf meinen ganzen Sachen verteilten. Idioten! Der Fahrer war am Ende so genervt, dass er Teile meiner Sachen einfach mitnahm und in die Ladefläche des Busses warf um den Vorgang zu beschleunigen.

In Wien wollte ich mich mit Tom, der im Sommer auch bei Belgraid gearbeitet hatte, treffen, doch der Bus hatte kein WLAN und so konnte ich mich nicht ankündigen. Als der Bus an einer Raststätte hielt, wählte ich mich in das dortige Netzwerk ein und schrieb ihm, dass ich noch an diesem Abend komen werde. Der Fahrer warf den Motor an, bevor eine Antwort kam und so stieg ich erneut in den Bus.

In Wien angekommen durfte ich erstmal meine Sachen so packen, dass ich sie auch tragen konnte. Dann sprach ich ein Mädchen an, wie ich zur U-Bahn komme und fuhr zum Westbahnhof – ein Knotenpunkt mit Anbindung in die meisten Richtungen. Dort fand ich einen Mc Donalds und rief meine Nachrichten ab. Tom hatte nach meiner Ankunftszeit gefragt. Doch er antwortete an diesem Abend nicht mehr.

Es war bereits ein Uhr und ich suchte nach geeigneten Grünanlagen. Meine Wahl fiel auf Schönbrunn, wo ein großer Park war. Doch die Sicherheitsbeamten der U-Bahn forderten mich auf die Station zu verlassen. Grund: Tetris hat keinen Maulkorb (oder hier: Beißkorb). Absolut lächerlich, dachte ich. Schau ihn dir doch mal an. Der weiß doch gar nicht, wie beißen funktioniert.

Draußen kam ich ins Gespräch mit Michael. Er war von meiner Geschichte so begeistert, dass er mir ein Bier ausgeben wollte. Und so liefen wir durch die nächtlichen Straßen, auf der Suche nach einer Bar. Als wir endlich eine fanden, war dort bereits last order und so trennten wir uns wieder.

Bis ich im Park ankam, mein Zelt aufschlug und schlafbereit war, war es bereits nach fünf Uhr.

Aufbruch!

Adria und Silvia, ein Pärchen aus Barcelona, hatten mir von Ihrem letzten Job erzählt, den sie in diesem Jahr erneut antreten würden. Der Job sei in England und bestehe darin auf diversen Festivals zu arbeiten. Da ich der Typ für schnelle Enstscheidungen bin, habe ich sofort zugesagt, e-mail geschrieben und am Freitag aufgebrochen. So habe ich gute zwei Wochen Zeit um nach Birmingham zu kommen – muss am 7. April dort sein.

Man hatte mich zur ersten Tankstelle, an der Straße nach Norden, gebracht. Überall lag Schnee und ich stand satte sechs Stunden dort, bevor mich jemand mitnahm. Ich kam so nach Novi Sad, nicht mal halbe Strecke zur Grenze. An dieser Tankstelle war derart wenig Betrieb, dass ich irgendwann entschloss, mein Nachtlager aufzuschlagen. Dazu schaufelte ich mir ein Rechteck frei und schlief direkt neben der Tankstelle, was mir den Luxus von WLAN im Zelt verschaffte. Tetris schlüpfte in meinen Schlafsack und krabbelte ganz ans Ende zu meinen Füßen. Es war wie eine Wärmflasche, die nie kalt wird (Hunde haben eine Körpertemperatur um die 39 Grad).

No escape from Balkan

Passend zum Titel, hier ein Link. Im neuen Tab öffnen, autoplay rein und im Hintergrund hören. 


Viel Zeit ist vergangen seit dem letzten Post. Doch das sollte keinen dazu bewegen, die Botschaft zu kontaktieren (lol). Alles ist gut – ich lebe noch.

Wer klug recherchiert hatte, konnte beobachten, dass auf unserer Facebook Seite ständig Bilder und Neuigkeiten von mir und der Organisation veröffentlicht wurden. Hier nochmal der Link dazu. Mir ist bewusst, dass viele meiner Leser nicht auf Facebook angemeldet sind. Daher der Hinweis, dass es sich hierbei um eine öffentliche Seite handelt, zu der jeder Zugang hat, der auf „jetzt nicht“ klickt…

Wie dem auch sei, ich bin noch immer in Belgrad und werde wohl auch noch ne gute Weile hier bleiben. Die Organisation wächst und erkundet stetig neue Gebiete. Mit über 30 Freiwilligen, die wir konstant zu unserem Team zählen können, ist die Küche nun nur noch ein Teil (wenn auch der Hauptteil) des Ganzen.

Daneben verteilen wir wöchentlich Hygiene-Packs in vier verschiedenen Familiencamps in den Grenzgebieten: Kikinda, an der rumänischen, Sombor, an der ungarischen, Pirot, an der bulgarischen und Adesevski, an der croatischen Grenze. Dies eröffnet uns die Möglichkeit Aktivitäten anzubieten. So nehmen wir jede Menge Spiele und ständig wechselnde Ideen mit, beschäftigen alle den ganzen Tag über und fahren Abends zurück.

Nachdem die Alkoholiker immer mal wieder Sachen von uns gestohlen hatten, wurde aus „feed-the-alcoholics“ schließlich „feed-the-homeless“ und gehört nun zum Tagesprogramm. Jeden Abend fahren wir mit den Resten des Tages nach Novi-Belgrad unter eine Brücke, wo einige obdachlose Familien wohnen und unterstützen mit Essen und medizinischer Hilfe.

Erwähnenswert ist auch das Trompetenfestival in Gucca. Wir fuhren zu neunt, mieteten uns ein Haus mit Pool, blieben eine Nacht und am nächsten Tag zurück. Eine unvergessliche Erinnerung.

Mittlerweile kündigt das Wetter so langsam den Herbst an. Im August hatten wir Tage mit 46 Grad. Zu heiß für irgendwas. Zum Glück gibt es Sava, ein nahe liegender Fluss. Wir besetzten ein (scheinbar) leerstehendes Hausboot, bis uns der Besitzer wegscheuchte. Aber daneben waren noch reichlich weitere und so zogen wir immer einen abwesenden Nachbarn weiter. Man muss dazu sagen, dass die Hausboote so dicht aneinander gebaut sind, dass man anders gar keinen Zugang zum Wasser hat. Es gibt zwar noch einige Seen, doch die sind total überlaufen – braucht keiner sowas.

Wir haben mittlerweile sechs Hunde und zwei Katzen adoptiert. Die Katzen heißen „Mala“ (serbisch für klein – keine weitsichtige Namenswahl) und „Mustache“ (wegen der Färbung). Der erste Hund wurde in der Nähe des Camps gefunden und die Natur hätte ihn sicher sterben lassen. Nun liegt „Shorba“ den ganzen Tag nur faul rum und ist auch nicht gerade der klügste (Untertreibung). „Boyfriend“ (weil er gerne vom eigenen Geschlecht bestiegen wurde) ist einer der Straßenhunde und stark traumatisiert. Sein Schwanz ist nur noch ein Stummel und die anderen Straßenhunde beißen ihn ständig. Hält man einen Stock in der Hand bekommt er Panik und rennt weg. Außerdem gibt es noch „Fatfuck“ (anatomische Gründe) und „Lady“ (das einzige Mädel), die einen immer eskortieren, bellend allen Autos nachjagen und somit die ganze Nachbarschaft aufwecken. Kürzlich hatte Michaela beim Ikea einen neuen Welpen aufgegabelt und ihn „Ikea“ genannt. Total schusselig und tollpatschig. Fällt ständig hin und kann gar nichts außer fressen und kacken. Und zu guter Letzt „Tetris“, mein Hund, der süßeste von allen. Er lief uns im Alter von etwa zwei Monaten zu und wir wollten ihn zuerst an eine Familie abgeben. Doch er flüchtete und kam zu uns zurück – es war Schicksal. Er ist nun geimpft und bekommt bald seine zweite Spritze. Er hört auf seinen Namen und kommt, holt Stöckchen, kann „Stop“ und „Stay“ (ja ich spreche englisch mit ihm) und braucht somit keine Leine mehr – Tetris ist ein freier Hund. Mittlerweile ist er vier Monate alt und verliert gerade seinen ersten Milchzahn.