Was bisher geschah…

In der Zeit, seit meinem letzten Post, ist viel passiert. Ich werde im Folgenden versuchen die Ereignisse zusammen zu fassen.


Die Baracken sind nun Geschichte. Die Regierung hatte, einen Tag vor Beginn der Abrissarbeiten, Insektizide versprüht – gegen das „Ungeziefer“ (man will ja keine böse Absicht unterstellen, doch es ist nun mal sehr offensichtlich). Am letzten Abend sammelten wir alle zurückgebliebenen Decken ein und blieben gemeinsam dort um, mit Alkohol und Gitarrenmusik, andächtig die Energie dieses Ortes in uns aufzunehmen. Am nächsten Morgen war mein Handy weg – teuflischer Rakia…


Obwohl die Bedingungen der Baracken furchtbar waren, genossen die Geflüchteten hier eine große Freiheit. Keine Aufpasser, keine Registrierung und keine Bestimmungen wurden einem auferlegt. Es waren ständig unabhängige NGO´s vor Ort, die sich um die Bewohner gekümmert hatten.

Dave hatte Strom zur Verfügung gestellt, damit man sein Handy aufladen konnte und die Räume beleuchtet. Hier geht’s zu seinem Blog.

Zwei reizende Frauen hatten alle mit Frühstück und Tee versorgt. Schau hier in ihren Blog.

Kleidung und Schuhe lieferten die Leute von „RAS – Refugee Help Serbia“. Die Webseite findest Du hier.

Abendessen gab es von „No Name Kitchen“. Die Bewohner konnten dort, unter Aufsicht von freiwilligen Köchen, beim Zubereiten des Essens mithelfen. Hier der Link dazu (nur auf Facebook).

Weiterhin halfen „Help NA“ unterstützend mit. Link hier (spanisch).

Und zu guter Letzt, wir, die das Mittagessen bereit stellten. Zuvor durch „Hot Food Idomeni“ und nun durch „BelgrAid“ (nur auf Facebook).

Ach, und natürlich „Get Shit Done“, die alles reparieren und bauen, was man so braucht. Finde sie hier (nur auf Facebook).


Am nächsten Abend packten wir 200 Rucksäcke, für die, die zum „Game“ aufbrechen wollten. Jeder Rucksack enthielt ein Kleidungspack (mit Socken, Unterhose, T-Shirt, Pulli und Hose), ein Medipack (mit Schmerzmitteln, Pflastern und Salbe), ein Hygienepack (mit Zahnbürste, -pasta, Rasierer, Nagelklipp, Tempos, Feuchttücher und Seife), ein Essenspack (mit einer Dose Bohnen, Sardinen, Schokolade, Erdnüssen, einer Orange und zwei Müsliriegeln) außerdem eine Taschenlampe und eine SIM-Karte.

Die Zahl der Campbewohner ist, nach Schließung der Baracken, deutlich angestiegen. In Folge dessen wurde die Essensausgabe in einen größeren Raum verlegt. Die Durchreiche besteht aus einer Abtrennung, mit kleinen Fenstern, die sich hoch klappen lassen. Dabei verdecken diese die Gesichter der dahinter stehenden und bieten ein „Titten-Ausschnitt“, was eine Interaktion unmöglich macht, ohne sich auf Knien zu bewegen- äußerst ungünstig. Mittlerweile konnten wir diesen Missstand beheben, indem wir nur ein Fenster hoch klappen und die anderen unten lassen.

Vor ein paar Tagen haben wir durch Zufall entdeckt, dass es eine Arrestzelle gibt. Ariel hörte eine Stimme hinter Gitterstäben, die um Essen bat. Wie wir später herausgefunden haben, wurde der „Häftling“ für fünf Tage eingesperrt und man verbot uns ihn mit Nahrung zu versorgen. Mittlerweile dürfen wir den Essensraum gar nicht mehr verlassen und man hat uns verboten mit den Geflüchteten zu sprechen. Vermutlich will man so verhindern, dass wir in diesem „offenen“ Camp noch mehr entdecken, was die Menschenrechte der „Insassen“ verletzt.

Vor einigen Tagen bin ich mit zwei Medizinstudentinnen nach Šid (gesprochen: shit) gefahren. Auf einem abgelegenen Parkplatz werden Essen und Kleidung ausgegeben und medizinische Versorgung angeboten.


Šid liegt an der Grenze zu Kroatien und ist deshalb ein strategisch interessanter Aufenthaltsort, da sich das „Game“ in unmittelbarer Nähe befindet. Neben zwei offiziellen Camps, gibt es den „Jungle“, ein Ort in dem jene leben, die im Schutze des Waldes untergetaucht sind.


Während die angehenden Ärztinnen ihre Patienten versorgten, hatte ich Gelegenheit mich mit den Anwesenden zu unterhalten. So erfuhr ich unter anderem von den Methoden der kroatischen Grenzpolizei.

Die Grenze wird sehr gut bewacht und es ist fast unmöglich durch zu kommen, ohne aufgegriffen zu werden. Wenn jene, die im Grenzgebiet wohnen, einen illegalen Einwanderer erspähen und dies der Polizei melden, erhalten sie 50 Euro Prämie, was hier eine Menge Geld ist. Wenn man wiedererkannt wird, also Wiederholungstäter ist (und nicht wenige versuchen es täglich), wird man in den Wald gefahren, übel zusammen geschlagen und in den Fluss geworfen. Aufgrund der schmerzenden Gliedmaßen hat man große Schwierigkeiten zu schwimmen (viele können überhaupt nicht schwimmen) und wenn man es zum anderen Ufer schafft, wartet dort bereits die nächste Knüppeltruppe und man fängt sich gleich noch mal Prügel ein. So soll wohl vermittelt werden, dass man verdammt nochmal im Camp bleiben soll, wo man sich furchtbar langweilen muss. Ausflüge in die Stadt sind auch nur möglich, wenn man nicht gesehen wird, ansonsten wird man „freundlich“ aufgefordert umzukehren.

Heute hat uns eine traurige Nachricht ereilt: Eine Gruppe von Dreien, hatten beim Grenzübergang einen tragischen Unfall, bei dem einer sein Leben und ein anderer sein Bein verlor.

In der Küche bin ich nun zum Prep-Manager aufgestiegen. Mein Aufgabenbereich besteht darin, die anstehenden Arbeitsschritte vorzubereiten und zu dirigieren, neue Freiwillige einzuweisen und dem Koch zuzuarbeiten. Außerdem werde ich als Koch angelernt um diesen zukünftig zu ersetzen, da Ryan uns bald verlassen wird.

Die Entscheidung

In der Küche gab es kein WLAN, weshalb ich nicht täglich updaten konnte. Andrew und Chris waren unterwegs nach Belgrad, jedoch ohne Mietwagen, wie geplant, sondern mit dem Zug. Ihr Plan sah vor, direkt nach Croatien zu fahren um dort weitere Ex-Hostel-Staff-Leute zu treffen. Ich befand mich in einem Zwiespalt, ob bleiben oder aufbrechen sollte und so vertagte ich die Entscheidung auf den nächsten Tag.

Die Baracken werden in Kürze geschlossen – heute fand dort ein Hungerstreik statt. Die Stadt will dort die „Waterfront“ aufbauen und alles abreißen. Für die Flüchtlinge heißt das entweder „The Game“ (versuchen über die Grenze zu kommen), sich für ein Camp einzuschreiben oder irgendwo im Park zu schlafen.

„The Game“ ist für viele schon ein alter Hut und einige ließen sich bereits deportieren, weil sie den Mut verloren. Das Camp wird von vielen mit Skepsis betrachtet, weil sie dem System (aus gutem Grund) misstrauen und wer im Park schläft, wird von der Polizei eingesammelt.

Dennoch werden viele ihr Glück versuchen und wir versorgen sie mit Rucksäcken, Hygienebeutel und Schlafsäcken.

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Die letzten Tage habe ich die Kartoffeln geputzt und die Methode angepasst: ein kleinerer Topf und eine abschließende Kontrolle bringt ein besseres Ergebnis. Manche Kartoffeln müssen nochmal per Hand gebürstet werden, doch die Zeitersparnis bleibt enorm.

„Get Shit Done“ hatte eine Lösung für den verstopften Abfluss gefunden. Vier Siebe verhindern nun, dass Essensreste in der Rinne hängen bleiben. Meine Idee die Siebe zu säubern nahm jedoch zu viel Zeit in Anspruch.

Das Dach wurde in drei Tagen fertig gestellt.

Arbeiten auf zwei Ebenen
Arbeiten auf zwei Ebenen

Umzug zur BelgrAid Küche

Am Donnerstag nach der Arbeit ging ich zum letzten Mal zum „car wash“ und begleitete den harten Kern zum Abendessen. Nur noch Eric, Andres, Chris und Alex verblieben.

Am Freitag in der Früh baute ich mein Zelt ab und schleppte mein Gepäck zur Küche. Nach Feierabend saßen wir draußen und tranken etwas Bier.

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Ich konnte oben in der Wohnung schlafen, was sehr willkommen war, denn mein Zelt hätte ich nicht mehr aufbauen können.

Am nächsten Morgen war ich überraschenderweise recht fit und nutzte dies um etwas Yoga zu machen.

Die Leute von „Get Shit Done“ bauten an einer Überdachung.

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Fortsetzung folgt…

Aufbruchstimmung

In den letzten Tagen sind immer mehr Hot Food Leute abgereist – heute sind wir nur noch zu dritt. Ich ging weiterhin zur Küche, während die anderen zurück blieben und klar Schiff machten.

In der Küche sorgte Christian für eine neue Revolution. Normalerweise braucht man vier, fünf Leute, für zwei Stunden, um den Tagesbedarf an Kartoffeln (80 kg) zu putzen. Diese kommen in Schüsseln mit Wasser und werden einzeln gebürstet. Jetzt braucht eine Person 10 min!!! Whaaaaat? Genialer Lifehack!

Für Hot Food hieß es: Die Transporter mussten bewegt, Kleidung getrennt, Zeug gepackt, Haus geputzt werden.

Gestern war Paintingparty mit Freibier und Pizza am Lagerfeuer.

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