Kurdistan

Es gab kaum Verkehr – die Straße war leer. Ab und zu fuhr ein Auto vorbei, das meistens überfüllt war. Wir standen eine gute Weile und hatten uns bereits mental darauf vorbereitet erneut hier zu übernachten. Der Wind war kalt und unsere Motivation am Boden, als schließlich doch ein Wagen hielt. Der Fahrer konnte etwas englisch und gab an auch viel gereist zu sein – unter anderem nach Somalia. Ich fragte, ob es dort nicht problematisch sei und machte eine Geste, als hielte ich ein Gewehr. Daraufhin zog er eine Handfeuerwaffe und sagte: „no problem“. Er musste links abbiegen und von dort aus waren es noch 4 km zum nächsten Ort.

Wir machten kurz Pause um die Reste des Frühstücks zu essen, bevor wir auf den Ort zugingen. Wir versuchten weiterhin zu trampen und ein älterer Mann nahm uns mit bis zum Ortsausgang, der in unsere Richtung führte. An einer Tankstelle standen wir und hoben die Daumen. Später hielt ein Auto mit zwei Insassen und einer leeren Rückbank, sowie reichlich Platz im Kofferraum. Der Fahrer war aus Batman (ja, der Ort heißt wirklich so), was relativ nahe an unserem Zielort war. Die Fahrt war eine große Hilfe, denn es waren weit über 100 km. Während dieser Strecke kamen wir an drei Straßensperren vorbei, die vom Militär unterhalten wurden. Man sah Männer mit Maschinengewehren, schusssicheres Glas und gepanzerte Fahrzeuge mit schwerer Bewaffnung. Jedes Mal wurde unser Pass kontrolliert und das kam uns irgendwie übertrieben vor. Als wir den Fahrer darauf ansprachen und fragten, ob es an der Nähe zum Irak und Syrien läge, lachte dieser nur und teilte mit, dass das normal sei, denn hier sind wir in Kurdistan.


Ich nenne es bewusst Kurdistan, obwohl es diesen Staat überhaupt nicht gibt. Doch es sollte ihn geben und fast hätte es geklappt. Nach dem ersten Weltkrieg hatte man ein Gebiet vorgesehen, in dem die Kurden leben sollten. Die Türkei hat das Gebiet jedoch nicht her gegeben und unterdrückt das kurdische Volk bis zum heutigen Tag mit militärischen Mitteln. Die kurdische Bevölkerung lebt im Süden der Türkei, im Norden Syriens, sowie des Iraks und im Westen des Iran und ist mit über 40 Millionen zahlenmäßig die größte Nation ohne einen eigenen Staat. Das bedeutet auch, dass keiner von ihnen gültige Ausweisdokumente besitzt und somit auch nicht legal ausreisen kann.
Sicher hast Du auch mitbekommen, dass Erdogan jetzt gerade den Norden Syriens und somit gezielt die Kurden bombardiert. Das lasse ich mal kommentarlos so stehen…


An einer Weggabelung ließ er uns aussteigen und nach einigen Überlegungen forderte er uns auf erneut einzusteigen; er werde uns in die Innenstadt von Dyarbakir bringen.

Kaum waren wir aus dem Auto ausgestiegen, erregte Tetris die Aufmerksamkeit eines kleinen Jungen mit Vater. Der Vater wollte, dass der Junge ihn streichelt. Dieser hatte jedoch zu viel Angst und traute sich nicht. Nach etwa 10 min „schau, ich tue es doch auch“ und „mach schon!“ (das ist meine Interpretation ihrer Unterhaltung), gab er auf und wir zogen weiter. Wir erfuhren hier sofort eine positive Stimmung. Die meisten Leute lächelten freundlich und es gab wesentlich weniger Menschen, die vor Tetris Angst hatten, was man vom Rest der Türkei nicht behaupten kann.


Dafür gibt es zwei Gründe:
1. Hier gibt es riesige Straßenhunde und nicht alle davon sind friedlich. Viele Kinder hatten irgendwann mal eine negative Begegnung mit einem dieser Biester.
2. Im Islam gilt der Speichel des Hundes als schmutzig. Wenn man eine Schüssel reinigen muss, aus der ein Hund getrunken hat, muss man sie 6 mal mit Wasser und einmal mit Sand auswaschen, bevor man daraus essen oder trinken kann. Man kann einen Hund zwar streicheln, aber nicht wenn dieser nass ist. Doch viele gehen lieber kein Risiko ein und meiden Hunde grundsätzlich.


So gingen wir durch die Straßen auf der Suche nach einem Imbiss, bei dem man draußen sitzen kann. Wir fanden auch einen, der noch geöffnet war und hatten jeder zwei Toast und eine Cola für zusammen 26 TL.

Seif suchte die Karte nach grünen Flecken ab, die sich als Zeltplatz eignen konnten und nahe genug für einen kurzen Fußmarsch waren. Nach der erfolgreichen Suche, folgten wir dem Handy. Wir blieben an einer Wasserstelle stehen und füllten unsere Flaschen auf. Dabei kamen drei Einheimische auf uns zu und sprachen uns an. Einer von ihnen warnte uns vor großen Hunden und Schlangen, die uns bevor stünden, wenn wir unser geplantes Ziel weiter verfolgten. Er zeigte auf eine Stelle direkt neben uns und versicherte, dass es dort keine Probleme gäbe. Es war eine Sitzbank vor einer alten Stadtmauer, die von Rasen umgeben war. Dort war es hell beleuchtet und konnte von allen Seiten eingesehen werden. Doch hinter der Mauer gab es Sichtschutz und so bauten wir die Zelte dort auf. Die Kommunikation mit unserem neuen Freund war holprig, da er kein Wort englisch sprach. Doch google übersetze für uns und auch die Hände funktionieren irgendwie. Wir hatten seit Zugdidi keine Dusche mehr gehabt und fragten ihn nach einem Hamam, wo wir am nächsten Tag hin wollten. Er wollte uns um 10 Uhr hier abholen kommen und dorthin begleiten. Also verabredeten wir uns für den kommenden Morgen und gingen, nach einem langen Abschied, schlafen.

15.10.

Wir wurden gegen 8 Uhr wach und sehnten uns nach einem Kaffee und Menemen. Also klapperten wir die nahe liegenden Läden ab, fanden jedoch nur den Kaffee. Obligatorisches Laden und Zeit schinden, damit man so viel wie möglich Batterie gewinnt, war angesagt. Der türkische Kaffee ist winzig – wie ein Espresso, nur mit Satz in der Tasse. Also bestellten wir danach Cay (Tee) und nippten an unseren Gläsern. Als es Zeit war unseren Freund zu treffen, weckten wir den Besitzer, der gegenüber in der Sonne döste, und bezahlten. Die 15 TL kamen uns etwas teuer vor – der Kaffee lohnte sich nicht wirklich (6-facher Tee-Preis), zumal wir auch selbst viel besseren Kaffee hatten.

Als wir zu den Zelten zurückkehrten, war unser Freund bereits dort. Wir gingen durch die überfüllten Straßen, an den unzähligen kleinen Lädchen vorbei und Seif wurde langsam genervt von unserer Begleitung, die ständig in seine Komfortzone eindrang. Ich war mit Tetris an der Leine beschäftigt und irgendwie froh darum, dass ich nicht genervt wurde. So nett er auch war, uns durch die Stadt zu führen, er hatte etwas lästiges an sich. Außerdem wären wir eigentlich viel lieber alleine unterwegs gewesen. Der Hamam, den wir ansteuerten, war geschlossen und der nächste war zwei Kilometer entfernt. Die Sonne brannte erbarmungslos und wir waren sowieso schon genervt. Als wir ankamen, band ich Tetris draußen an, doch einer der Männer vor dem Gebäude führte uns in eine Tiefgarage, wo es für ihn sicherer sei.


Hamam ist ein Badehaus, wie es sie schon zu Zeiten der Römer gab. Früher waren das soziale Orte, wo man sich trifft und über Politik oder was auch immer sprach. Heute scheint das aus der Mode gekommen zu sein, denn wir waren die einzigen Gäste, was uns ehrlich gesagt ganz recht war. Frauen trifft man hier keine. Die müssen in separate Räume, die ich mir bei der Größe aber nicht vorstellen kann. Wahrscheinlich ist das einfach ein Männerding.


In der Umziehkabine lag ein Tuch bereit, sowie Badelatschen. Man zieht sich aus, bindet das Tuch um, schlüpft in die Latschen, schließt die Kabine ab und behält den Schlüssel. Man bekommt ein Stück Seife und darf erstmal duschen. Dann nimmt man einen rauen Lappen, den man einseift und mit dem man sich die alte Haut abwetzt.


Bin nicht wirklich Fan dieser Methode. Man muss nicht den ganzen Körper einseifen, sondern nur Hände, Füße, Brust und Rücken. Außerdem war meine Haut danach total trocken und rissig. Wir haben aus gutem Grund eine schützende Fettschicht auf der Haut. 


Dann hat man die Auswahl zwischen Dampfbad und Sauna und ein Becken mit kaltem Wasser. Nichts besonderes aber mit 25 TL einigermaßen günstig. Wir verbrachten rund eine Stunde dort und unser Freund kam immer mal wieder rein um nach uns zu sehen und „oh my god“ zu rufen, die Temperatur in der Sauna betreffend (kein Wunder, wenn man angezogen ist). Als wir fertig waren, wartete er immer noch auf uns und brachte Eile in unseren Entspannungstag, indem er ansprach, dass unsere Zelte unbeaufsichtigt und somit nicht vor Diebstahl sicher seien. Er führte uns durch ein Labyrinth aus engen Hintergassen, was sich als enorme Abkürzung herausstellte. Selbstverständlich wurden die Zelte nicht angerührt und alles war noch da. Er lachte, als habe er uns auf den Arm genommen. Wir wollten erst etwas essen, was wir den ganzen Morgen noch nicht getan hatten und die Zelte später abbauen. Doch als unser Spaßvogel das ausgetrocknete Gras auf der Mauer neben den Zelten anzündete, packten wir sofort zusammen und überlegten, wie wir diesen Kerl los werden könnten. Wir bedankten und verabschiedeten uns einfach und gingen dann in die andere Richtung, was erstaunlich gut klappte.

Der Karte nach zu urteilen waren es gute 5 km um die Straße aus der Stadt zu erreichen. Wir hielten um zu essen und versuchten uns dann an einer Abkürzung, weil wir Fußweg sparen wollten. Es war vielleicht der direkteste, doch nicht der einfachste Weg. Es gab reichlich Steigungen und wir mussten mehrere Pausen einlegen. Dazu kam, dass sich überall Kinder tummelten und wir konnten nirgends vorbei, ohne umzingelt zu werden. Jeder will Tetris streicheln, die Leine nehmen, den einzigen englischen Satz, sagen, den man kennt und wenn man einfach weiter läuft, wird man mehrere Blocks weit verfolgt. Das war am Anfang ganz süß und witzig, doch mit den schweren Taschen in der prallen Sonne geht einem das irgendwann sowas von auf den Sack, dass man am liebsten Schellen verteilen würde. Besonders Seif war ultra genervt, ignorierte alle und ging einfach weiter. Aber man wird am Ärmel gezogen und angetippt und ist diesem Wahnsinn hilflos ausgeliefert. Wenn man Glück hat, kommt ein Erwachsener und verscheucht die Gören. Ansonsten muss man hoffen, dass sie irgendwann die Lust verlieren.

Wir waren nicht mehr weit von unserem Ziel entfernt, als wir wieder eine ganze Schaar von Followern hatten. Jetzt war auch ich genervt. Egal was man sagt, es versteht sowieso keiner. Der Ton wurde rauer und wir gaben zu verstehen, dass wir keinen Bock haben und sie sich endlich verpissen sollen. Daraufhin warfen sie Steine nach uns und einer davon traf Seif am Bein. Er drehte sich um und schrie die kleinen Teufel an, was das soll. Daraufhin kam ein Mann, verteilte erstmal ein paar Schellen und entschuldigte sich bei uns. Dann zeigte er uns den Weg durch ein Privatgelände, denn der Weg wurde von einer Mauer blockiert. Dort zeigte er uns zwei Äffchen in einem Käfig. Tetris stand nur da und sah total irritiert auf diese Kreaturen, die er noch nie gesehen hat. Die Affen waren aggressiv und sprangen ständig an die Käfigwand, was Tetris zurückschrecken ließ. Man kann es ihnen auch nicht verübeln, wenn man bedenkt, dass sie normalerweise von Baum zu Baum springen und jetzt eingesperrt sind.

Das Grundstück stand direkt an der Straße, die nach Urfa führt. Wir begannen zu trampen und bald kamen zwei der Kinder zurück um zu nerven. Wir nahmen unsere Taschen und gingen einfach weiter die Straße entlang, bis wir weit genug weg waren und die Kinder umkehrten. Es wurde langsam dunkel und wir gaben schließlich auf. Auf der gegenüberliegenden Seite war ein viel versprechendes Feld zu sehen, das wir uns genauer ansahen. Aus der Nähe wurde deutlich, dass es umzäunt und mit Stacheldraht gesichert war. Also gingen wir den Zaun entlang und hofften auf ein baldiges Ende. Hinter dem Zaun kamen zwei große Hunde angerannt und bellten uns an. Hinter dem Feld war eine hohe Mauer und dahinter sah man Türme in regelmäßigen Abständen. Ein Schild am Zaun sagte „ferngesteuerte Fluggeräte verboten“.

Am Ende des Zauns war eine Rasenfläche und danach ein Fußballfeld, wo ein Spiel stattfand. Wir blieben stehen und schauten sehnsüchtig auf das Gras. Wir waren total müde und schlecht gelaunt und wollten einfach nur schlafen. Plötzlich wurden wir von zwei jungen Kerlen angesprochen und unterhielten uns ein wenig. Wir fragten ob sie einen guten Zeltplatz nennen könnten und sie zeigten auf den Rasen neben uns. Wir zeigten auf den Zaun und die Kameras „problem?“. Doch sie sagten nur: „no problem, no problem“. Das genügte uns und wir gingen hinter das Fußballfeld, wo es etwas weniger, doch immer noch gut beleuchtet war. Wir setzten die Rucksäcke ab und packten die Zelte aus, als einer kam und uns mitteilte, dass uns die Kameras hier sehen könnten. Er sprach kurz mit einem hinter der Mauer, der ihm Anweisungen gab, wo die Stellen waren, die die Kamera nicht sehen kann. Also wechselten wir den Ort und fingen dort erneut an. Die Leute um uns herum versuchten uns zu helfen und als wir erklärten, dass wir keine Hilfe bräuchten, saßen sie nur auf der Bank und beobachteten uns die ganze Zeit. Als wir unser Zelt aufgebaut hatten und endlich bettbereit waren, kam ein gepanzerter Polizeiwagen angefahren. Heraus kamen drei Männer, die uns auf türkisch ansprachen. Wir erwiderten „no türkisch, english?“ und die Männer telefonierten, nachdem sie unsere Pässe entgegen genommen hatten. Kurz darauf kam ein weiteres Fahrzeug der gleichen Bauart und weitere drei Männer kamen dazu. Auch sie schauten sich die Pässe an und telefonierten. Dann gab man mir das Telefon und die Stimme am anderen Ende der Leitung erklärte, dass wir uns auf Militärgelände befänden und hier nicht zelten dürften. Ich erwiderte, dass ich verstanden habe und gab das Telefon zurück. Danach gab ich Seif bescheid und wir bauten die Zelte wieder ab. Als wir fertig waren, fragten wir, ob wir nun die Pässe zurück bekämen und man sagte uns, dass wir noch warten müssten. Einer der Soldaten, der der wohl am besten englisch konnte, stellte uns verschiedene Fragen. Was wir hier tun, wo wir hin wollen, ob wir hier Freunde haben, usw. Dann wollten sie unsere Handys sehen, denn sie waren an den Bildern interessiert. Seif zeigte unsere Fotos aus Georgien und es war kein Foto aus der Türkei dabei. Irgendwann bekamen wir die Pässe zurück und durften gehen.

Also erneute Suche nach einem Zeltplatz. Auf der Karte war ein großes grünes Areal, das viel versprechend aussah und das wir ansteuerten. Auf dem Weg kauften wir Zwiebeln und Kartoffeln. Als wir am Zielort ankamen, stellten wir fest, dass es ein riesiger Friedhof war – zu beiden Seiten der Straße. Ernüchtert ließen wir die Rucksäcke zu Boden und suchten nach weiterem Grün. Etwa zwei Kilometer weiter musste ein Park sein. Also rauchten wir eine, bevor wir weiter gingen. Währenddessen hielt ein weiterer Panzerwagen und schon wieder mussten wir die Pässe zeigen. Diesmal ging alles viel schneller. Wahrscheinlich kannte man uns dort mittlerweile.

Die Friedhofsmauer schien kein Ende zu nehmen. Die Gräber bestanden aus Randsteinen und sahen alle gleich aus. Am Ende sah man hunderte neuer Gräber, die noch nicht belegt waren. Dahinter freies Feld und danach Randsteine auf Paletten. Das war ein merkwürdiges Bild. Als ob man sich für mehr Tote vorbereit – die Manufaktur direkt vor Ort. Dort wo der Friedhof endete, war ein kleiner Park, zur Seite begrenzt durch ein Baumwollfeld, spärlich beleuchtet und ruhig – ideal für unsere Zwecke. Wir belagerten eine Grasfläche und waren heilfroh endlich schlafen zu können.

16.10.

Ich wurde wach, als ein Mann in mein offenes Zelt schaute. Ich hatte es offen gelassen, da Tetris meistens vor mir wach wird, mich weckt und nach draußen will. Ich schaute aus dem Zelt und sah ich drei Männer, zwischen 30 und 50 Jahren, die etwas weiter weg zusammen saßen. Als ich aufstand und die Hand zum Gruß hob, winkten sie mich heran. Ich ging auf sie zu und sah, dass sie Gras rauchten und zwar mit einer 2-Liter-Flasche Cola in einer 5-Liter-Flasche Wasser. Sie boten mir „Frühstück“ an und ich lehnte aus Höflichkeit nicht ab. Seif war mittlerweile auch aufgestanden und wir kochten Kaffee und bereiteten das richtige Frühstück zu.

Das Wetter war heiß und trocken, denn wir befanden uns in subtropischem Klima. Wir ergriffen die Chance um unsere Zelte zu reparieren, denn wir mussten Zeit zum trocknen einplanen. So entschieden wir den Tag hier zu verbringen. Es gab eine Wasserstelle und ich nutzte die Gelegenheit um Wäsche zu waschen. Immer wieder kamen Leute um zu rauchen. Morgens die Alten, mittags die mittleren Alters und abends die Jungen. Später erfuhren wir, dass diese Stadt so eine Art Hotspot für Gras ist. Vielleicht sind die Leute deshalb so entspannt hier. Abends machten wir ein kleines Feuer und gingen dann, in der Absicht am nächsten Morgen aufzubrechen, schlafen.

17.10.

Am morgen waren wieder die gleichen Alten hier. Wir kochten Kaffee, packten zusammen und gingen los. Unterwegs machten wir kurz halt, tranken cay und luden unsere Geräte. Wir mussten eine Zeit lang laufen, bis wir trampen konnten. An einer Bushaltestelle standen wir recht lange und dann kam der Regen. Zunächst dachten wir, dass das Unwetter vorbei ziehen würde, doch es kam heftig auf uns herunter. Wir waren unter dem Dach der Bushaltestelle geschützt, doch es wurde auch schon bald dunkel und so mussten wir einen neuen Schlafplatz finden. Es gab einen kleinen Park auf der Karte und so gingen wir in dessen Richtung, als der Regen nachgelassen hatte. Unmittelbar vor der Straße, die links weg führt, war ein keiner Laden „Ibrahim Market“ und wir wollten dort Gemüse und Sachen für das Frühstück kaufen. Als der Besitzer uns durch die Scheibe sah, winkte er uns herein, gab uns zwei Stühle und bat uns mit einer Handbewegung, dass wir uns setzen sollten. Dann bot er uns Kaffee an und fragte, ob wir hungrig seien. Mit google übersetzte er: „food from home will come“. Kurz darauf erschien ein Junge mit einem Tablett mit zwei Tellern Reis und einem Teller gegrillten Hühnchens. Als wir aufgegessen hatten, forderte er uns auf sitzen zu bleiben und zeigte uns die Übersetzung „Allah has send you as guests“. Es kam einer seiner Freunde, der ein wenig englisch konnte und so unterhielten wir uns etwas. Ein Nachbar würde am nächsten Morgen mit dem LKW nach Mersin fahren und könne uns mitnehmen, erklärte der Freund. Dieser kam später in den Laden, stellte sich vor und wir verabredeten uns. Er würde uns zwischen 6 und 7 Uhr abholen. Dann ging er wieder. Im Fernseher lief eine Tierdoku, was gelegen kam, als uns der Gesprächsstoff ausging. Wir fragten, ob der Park, den wir auf der Karte gefunden hatten, zum Zelten geeignet wäre und er verneinte. Dafür gäbe es auf der gegenüberliegenden Seite ein verlassenes Gebäude, das wir in Beschlag nehmen könnten.

Es war eine kleine Ladenfläche mit drei Wänden und Laminat. Es gab sogar einen funktionierenden Wasseranschluss. Wir bauten die Zelte nicht auf und breiteten nur die Matten aus. Ein neugieriger Junge kam auf uns zu und fragte, ob wir irgendetwas bräuchten. Wir lehnten dankend ab, doch kurz darauf kam einer seiner Freunde und brachte uns eine Tüte mit zwei Sandwiches, einer Flasche Cola und Kekse. Später kam er nochmal und brachte eine Decke vorbei. Das schien nicht wirklich verhandelbar zu sein. Seif aß sein Sandwich (Tomate und Huhn) sofort, während ich es mir für das Frühstück aufsparte.

18.10.

Wir waren pünktlich wach und packten zusammen. Dann warteten wir. Als gegen 8 Uhr noch kein LKW aufgetaucht war, rollte ich die Matte wieder aus. Seif versuchte mehrfach anzurufen, doch keine Rufannahme. Gegen 9 Uhr hatte auch Seif aufgegeben und wir liefen los, bis wir an eine geeignete Stelle zum trampen kamen. Nach einiger Zeit hielt ein neuer Mercedes. Der Fahrer war Arzt und hatte seinen blauen Kittel an. Er nahm uns bis auf 50 km vor Sanliurfa mit. Als wir ankamen, fragte er, ob wir hunger hätten. Ich entgegnete, dass wir etwas aus dem Supermarkt kaufen und kochen würden. Er hielt vor einem Restaurant, ging rein, kam kurz darauf wieder raus und verabschiedete sich. Wir bestellten Cay und bekamen bald darauf Suppe, die der Arzt bezahlt hatte. Danach wechselten wir die Straßenseite und trampten weiter. Wir hatten wenig Glück und nach langer Zeit hielt ein Bus. Der Fahrer war einverstanden Tetris auch mitzunehmen, was äußerst ungewöhnlich war. Er wollte 10 TL pro Person und wir waren verzweifelt genug um den Preis zu bezahlen.

Der Bus brachte uns nach Sanliurfa, was jeder nur Urfa nennt – eine weitere Millionenstadt. Wir stiegen etwa in der Mitte der Stadt aus und mussten etwas laufen um zu einem Park zu gelangen. Dort gab es Toiletten und Trinkwasser. Wir kochten Dal und bauten die Zelte auf. Die Leute hier schienen wesentlich weniger an uns interessiert zu sein, was uns, nach Dyarbakir, irgendwie recht war. Vielleicht lag es an dem hohen Anteil arabischer Menschen, die hier lebten. Seifs Sprachkenntnisse stellten sich hier als sehr hilfreich heraus.

19.10.

Der Mann, der sich um den Park kümmerte, warnte uns, dass er die Sprinkleranlage einschalten würde und wir unsere Zelte abbauen sollten. Wir waren froh über die Warnung und zogen zu einer Sitzgruppe um, wo wir Kaffee und Haferflocken kochten. Ab und zu setzte sich jemand zu uns und wollte wissen, wo wir her kommen, was wir machen, usw. Nichts ungewöhnliches, passiert ständig. Mittlerweile konnten wir auch auf türkisch antworten. Aus Urfa kamen wir relativ schnell wieder raus und hatten Kurdistan damit verlassen.