Homo Ecos part 10

Die letzten Tage bei Homo Ecos waren vom immer gleichen Rhythmus geprägt: Frühstück, Arbeit bis zur Dunkelheit, das Tageswerk in geselliger Runde zelebrieren und komatöser Schlaf. Nun da ich vier Tage aufzuarbeiten habe, verwischen die Ereignisse zu einer einzigen Masse, und ich habe Schwierigkeiten diese einem bestimmten Tag zuzuordnen. Deshalb werde ich diesen Tag inhaltslos lassen.

Homo Ecos part 9

Krišjānis kam gegen zehn und wir tranken Kaffee im Iglu. Eine Stunde später kam Boris von Homo Ecos und wir suchten nach verlassen Hütten, von denen es hier reichlich gibt. Wir entfernten die Dachpappe und brachten sie zu Krišjānis, der die Reifen ausrichtete. Die Dachpappe kommt auf die Reifen und dient als Feuchtigkeitsschutz für die Paletten, die darüber sein werden.

Als nächstes suchten wir nach Stützbalken und einer Tür – Recycling im wahrsten Sinne des Wortes. Nach mehreren Erkundungstouren, hatten wir zwei Türen, Dämmwolle, einige Stützbalken und reichlich Presskartonplatten gesammelt und entferten die Nägel, die auch wieder verwendet werden.

Am Nachmittag kamen weitere Helfer. Einer stopfte Stroh in die Paletten und der andere entfernte die morschen Stellen der Bretter.

Am Abend gingen wir in die Stadt um uns das neue Objekt von „Free Rīga“ anzusehen.


Free Rīga ist eine Organisation, die leer stehende, renovierungsbedürftige Häuser anmietet um diese wieder herzurichten. Die „Mieter“ können kostenlos wohnen, dafür, dass sie beim renovieren mithelfen. 


Das Hoftor war abgeschlossen und so schauten wir uns das Haus von außen an, als eine Frau aus der Tür kam. Krišjānis sprach sie auf lettisch an. Sie antwortete auf englisch und bat uns herein.

Drinnen saßen zwei Männer, die sichtlich überrascht von dem unangekündigten Besuch schienen. Einer hielt einen Baseballschläger, den er unablässig polierte – auf dem Boden lagen zehn weitere. Wir unterhielten uns – vorwiegend Krišjānis und auf lettisch, weshalb ich dem Gespräch nicht folgen konnte. So sprach ich die Frau neben mir an, wo sie herkomme und sie antwortete, dass sie aus Deutschland sei. Ich musste laut lachen und sagte dabei: „No way! Germans are everywhere!“.

Plötzlich änderte sich die Stimmung schlagartig. Der Baseballtyp wurde nervös und aufbrausend. Mit geöffnetem Mund beobachtete ich die seltsame Wendung der Situation, ohne wirklich zu verstehen, was gerade abging. Nach einigem hin und her, drehte sich Krišjānis zu mir um und erklärte, wir seien zu laut und das störe die filigrane Arbeit, die der andere zu verrichten habe. Erstaunt über diesen banalen Grund, entgegnete ich, das ich verstanden hätte – Lautstärke ist also von großer Wichtigkeit. Daraufhin stand der schlecht gelaunte Baseballfreak auf und wurde selbst lauter – ein gutes Beispiel für seine eigenen Werte. Obwohl ich seine Worte nicht verstand, empfing ich die Essenz seiner Botschaft und zog meine Jacke an. Grinsend verabschiedete ich mich von den anderen beiden, die der Situation teilnahmslos zusahen und verließ das Haus wieder.

Anschließend besuchten wir noch drei Kneipen und ich nahm am frühen Morgen ein Taxi zurück.


Wie ich später erfuhr, fertigt der Typ für jeden Hausbewohner einen Baseballschläger an, damit dieser sich gegen die Junkies, die dort herumlungern, verteidigen kann. Vielleicht doch kein so interessantes Objekt, vor diesem Hintergrund. Das war vielleicht auch der Grund für seine Überreaktion, deren Ursache sehr wahrscheinlich Angst war.


 

Homo Ecos part 8

Gegen neun war ich auf den Beinen. Als ich am Iglu vorbei ging, wurde ich von Igor begrüßt, der bereits ein Morgenfeuer entzündet hatte.

Ich ging zum Gasherd um Wasser für Kaffee aufzusetzen, als Kathi und Boris von Homo Ecos auf mich zu kamen. Wir tranken Kaffee und danach nahmen die beiden Werkzeuge mit.

Krišjānis rief an und teilte mit, dass er in einer Stunde hier sei. Währenddessen säuberte ich das Bambus-Kunstwerk mit einer Stahlbürste, damit die Lasur besser haftet – es soll schwarz werden.

Nachdem Krišjānis eintraf, sägten wir Bretter, die in der Mitte gerissen waren, auseinander.

Ich blieb vorerst im Magic Garden und fertigte einen Holzpfropfen an. Mit diesem verschloss ich das Loch in der Wanne und füllte sie mit Wasser um den Lehm darin aufzuweichen.

Es sollte heute warmes Essen geben – die Organisatoren und Bürofrauen von Homo Ecos hatten sich für 14 Uhr angekündigt um den Fortschritt zu begutachten. Es waren nette Damen, die sichtlich zufrieden mit uns waren. Meine Idee, einen Teich anzulegen, der über Kanäle das Regenwasser sammelt, kam gut an. Holzbrücken sollten über das Wasser führen, was ein Flair eines japanischen Gartens verströme und für ein gewisses Feng Shui sorge – soweit die Idee.

Bis es dunkel wurde, beschaffte ich Sand für das Fundament, während Krišjānis die letzten Reifen ausrichtete.

Wächter des Magic Garden


Fünf Minuten! Wegen fünf Minuten hab ich jetzt eine Lücke! Und das obwohl hier schon eins ist… 


In der Nacht wurde der Bewegungssensor ausgelöst und ich nahm mein Schwert um nach dem Rechten zu sehen. Doch es war falscher Alarm – vermutlich eine Katze.

Als die Sonne mich weckte, war es noch recht kühl. Auf den Wegen, die zuvor von Äpfeln übersät waren, lag nun Laub. Oh nein! Der Herbst! 😓

Ich begann den Tag mit Kaffee und Schaufel – die Sauna muss tiefer werden. Als ich auf graben keine Lust mehr hatte, nahm ich mein Messer, streifte durch die verwilderten, herrenlosen Gärten und sammelte Blüten. Die Bündel hing ich im Iglu auf, wo sie trocknen können. So hat man immer einen Reminder, dass die Sauna noch nicht fertig ist.


Zuvor hatte ich es als „Kuppelbau“ betitelt, doch mit der Zeit hat sich der Begriff „Iglu“ durchgesetzt.


Am Nachmittag bekam ich Besuch, der zufällig vorbei kam und Äpfel mitnahm.

Ich lief zum Supermarkt und pflückte auf dem Rückweg einen weiteren Strauß Blüten.

Als ich zurück kam, war Rudolfs gerade dabei die Feuerstelle im Iglu zu pimpen. Dazu grub er einen Kanal, in dem er ein Ofenrohr versenkte. Über dem nach oben abgewinkelten Ende, platzierte er eine Metallplatte, in die, in der Mitte, Löcher gebohrt waren. So wird von außen Luft in die Mitte des Feuers geleitet und der Rauch kann nach oben, durch die Öffnung im Iglu, entweichen.

Wir machten ein Testfeuer, was hervorragend klappte, als Igor (diesmal ohne Digeridoo) der Runde beitrat.

Später kam auch Krišjānis dazu. Wir holten gesägtes, doch teilweise nasses Holz, das an meinem Zeltplatz lagert und Igor stapelte es im Kreis um das Feuer, wodurch es trocknete und nebenbei für ein dekoratives Wandmuster sorgte.

Platzhalter Bild

Ich saß bis zuletzt am Feuer und warf Holz nach, solange ich bloggte – der Tag endete doch geselliger, als er begonnen hatte.


Im Magic Garden gibt es momentan kein WLAN mehr. Bilder folgen…


 

Jelgava


Juris hatte am Sonntag angerufen und mitgeteilt, dass er nun nach Moskau aufbreche, wo er, mit Bahvani, für eine Woche, einen Tantra-Workshop halten werde. In Anbetracht der Tatsache, dass Langfinger schon öfters zugegriffen hatten, fühle er sich sicherer, wenn jemand Nachtwache hielte. Mareks patrouilliert auch jeden Abend, doch arbeitet er tagsüber. 


Nach dem Frühstück und einer Morgendosis CNN, ging ich nach draußen und säuberte das Holz, das im Freien lagert, von dem „Unkraut“, das es umwuchert.


Vieles davon wird für Tee, die Sauna oder Brennesseljauche weiter verwendet – der Rest ist Kompost.


Später aßen wir und Krišjānis begleitete mich zum Bus. In Jelgava stieg ich eine Station früher aus, da ich mir noch (in Ruhe) die Stadt ansehen wollte.

Ich schaute mir den Stadtplan an und musste schmunzeln, bei dem Gedanken, wie lange ich das schon nicht mehr getan hatte. Die Stadt ist klein und der Busbahnhof nicht weit. So lief ich etwas durch den Park und kam sehr bald am Bahnhof an.

Ich nahm einen Minibus, der leider nicht unterwegs hält und musste einen weiteren Bus nehmen – obwohl der Minibus genau dort vorbei fuhr, wo ich hin wollte.

Im Magic Garden war Totenstille und die Sonne stand tief. So holte ich einen Rechen und eine Schaufel um den Untergrund meines neuen, vorübergehenden Zeltplatzes, der Sicht auf die Eingänge bietet, zu ebnen.

Später kam Mareks und gab mir ein kurzes Briefing über die Neuerungen. Wir saßen noch eine Weile, bevor er wieder in die Stadt fuhr, da er früh raus musste.

Nun war ich der alleinige Wächter. Entschlossen, sämtliche Eindringlinge in die Flucht zu schlagen, bewaffnet mit einem Bambusschwert – Der Rächer der Enteigneten.

Los Matadores

Der Morgen verstrich ohne besondere Aktivitäten. Wir schauten CNN und lästerten über Trump und Hillary.

Am Nachmittag sammelte ich Pflanzen, die für die Sauna getrocknet werden.

20160912_190618

Abends machten wir eine Exkursion durch die Nachbarschaft. Wir gingen am Fluss entlang und kamen an einen Zaun, den wir überstiegen. Ein Stück weiter wurde der Weg von einer kleinen Schlucht unterbrochen. Auf der anderen Seite versperrte ein Jungbulle den Weg.

20160912_192708

Er schaute uns an und bewegte sich nur, um nach rechts zu seiner Herde zu blicken, die langsam näher kam. Als die Unterstützung hinter ihm stand, überquerte der Bulle die Schlucht und kam auf unsere Seite.

20160912_192815

Wir waren beide mit langen Stöcken ausgestattet und hielten den Angreifer auf Abstand. Wir zogen uns langsam zurück und immer mehr Bullen folgten dem ersten. Krišjānis sicherte die hintere Linie, während ich die rechte Flanke beschützte. Ein Bulle versuchte mich rechts zu überholen und ich drängte ihn ab. Er weichte den Hang hinunter Richtung Fluss aus, drei Bullen hinter ihm, gleichzeitig gewannen drei weitere Bullen die linke Flanke und die restliche Herde schloss von hinten, wie eine Mauer.

Der erste Zaun, der einen etwa drei Meter breiten Durchgang hatte, war in Sichtweite, als vier Bullen rechts vorbei rannten um vorne den Weg abzuschneiden. Sie wechselten die Seite, nachdem sie den Durchgang passiert hatten und warteten, bis auch wir durch kamen.

Sobald wir den ersten Zaun hinter uns hatten, gingen die Bullen erneut in Formation. Einige nutzten die weite linke Flanke und andere versuchten es wieder rechts, was auch gelang – es war unmöglich, die Bullen daran zu hindern, da sie versetzt zueinander standen.

Am zweiten und letzten Zaun standen schon zehn, doch die hintere Linie war sicher und rechts kam nichts mehr. So konnten wir uns zum rettenden Zaun kämpfen. Die Stöcke funktionierten und die Bullen wichen aus. Auf der anderen Seite des Zaunes, wurden wir von der Herde mit auffordernden Blicken verfolgt.

20160912_193121

Die Sonne stand tief und wir stiegen aufs Dach um den Untergang zu beobachten. Die Bullen standen immer noch, wie eine Mauer, am Zaun.

Erntedankfest

Es gab noch zwei weitere Reihen Kartoffeln, die ich morgens gleich erntete – knapp zwei Eimer.

20160911_100726

Doch ich nahm vorerst nur die sichtbaren, ohne die Erde zu durchwühlen. Denn Sonne ist der natürliche Feind der Kartoffel und sorgt für grüne Stellen, die ungenießbar sind.

Die Sonne brannte erbarmungslos, weshalb wir die restlichen Kartoffeln noch in der Erde ließen.

Krišjānis Mutter verließ das Haus für ein paar Tage und wir ernteten den Rest gegen Abend.

20160911_175747

Um die Ernte zu feiern, bereitete Krišjānis ein Festmahl zu und wir tranken Cognac als Aperitif.

20160911_214731