Tallinn, Hauptstadt Estlands

Standort


Ich wachte gegen 5 Uhr auf und bemerkte, dass ich mit dem Kopf direkt am Netz des Innenzeltes auflag. So konnten die Stechmücken schön durch die Maschen stechen. Ich tötete sie alle, bevor ich wieder weiter schlief.

Als ich erneut aufwachte, zeichnete die Sonne, die durch die Lücken der Blätterdecke schien, bereits helle Flecken auf die Zeltaußenhülle. Ich stand auf und orientierte mich zunächst. Dabei erkannte ich, dass ich etwa 100 Meter vom Kunstmuseum weg war. Ich lief etwas umher und dann Richtung Stadt – der Stadtplan war noch grob im Kopf.

Ich kam an einem Supermarkt vorbei und betrat ihn. Dort stellte ich zu meinem Entzücken fest, dass die Preise etwa die Hälfte von den skandinavischen waren. Ich kaufte ein Croissant, zwei verschiedene Blätterteigtaschen mit Überraschungsfüllung und einen Kaffee: knapp über 2 € – soviel hat vorher der Kaffee allein gekostet. Nicht alles was süß aussieht, ist es auch; die eine Tasche war ne Art Zwiebelkuchen und die andere mit Kürbisstücken – aber lecker.

An der nächsten Kreuzung war ein Stadtplan und ich sah, dass der Weg, den ich bis jetzt gelaufen bin, fast so lang war, wie der Stadtring – die Distanzen sind also überschaubar. Daneben war ein Einkaufszentrum mit offenem WLAN und ich bloggte erstmal.

Die Altstadt ist atemberaubend schön und zieht einen sofort in ihren Bann, ein mittelalterliches Flair verströmend. Nach knapp drei Stunden gemütlichem Schlendern, kam ich wieder da an, wo ich die Altstadt zuvor betreten hatte. Man hat den Eindruck, dass ausschließlich Touristen herum laufen – ein Gewusel von Führungsgruppen und Fotografierenden. Einen kleinen Eindruck vermitteln die neuen Bilder.


Es hat sich herausgestellt, dass nicht mein Handy, sondern die SD-Karte spinnt – scheiß Plagiate! Nachdem ich den Speicherort auf Gerätespeicher geändert hab, lief wieder alles. Kauf dir nie ne Billig-Karte (oder Akku), die kacken irgendwann einfach ab…


Außerhalb des alten Stadtkerns, sieht man riesige gläserne Gebäude, die einen krassen Kontrast der Moderne bilden. Eine gute Orientierungshilfe, denn die Wolkenkratzer sind gut zu unterscheiden und weit sichtbar. Trotzdem habe ich mich oft verlaufen, denn die Straßen sind verwinkelt, ändern ihre Richtung und manche enden einfach.

Irgendwann fand ich das Zelt wieder und lief dann in die andere Richtung um zu sehen, was dort so ist. Und siehe da, ein erfreuliches Schild:

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Die WLAN-Zone gab mir Gelegenheit nochmal die Satellitensicht von Google zu studieren. Somit sah ich, dass gegenüber des Parks, wo mein Zelt steht, ein Strand ist. Also lief ich hin um nachzuprüfen, ob dort Duschen sind. Leider zeigten die Schilder an, dass es kein Badestrand ist und somit auch keine Duschen, aber Dixi-Klos – immerhin etwas.

Ich wollte mich noch etwas unter die Einheimischen mischen und fragte die Leute auf der Straße, wo ich eine Kneipe finde – nichts schickes, einfach und schnörkellos soll es sein. Man erklärte mir, dass es außerhalb der Altstadt nichts gibt und ich es dort versuchen solle. Ungläubig lief ich weiter durch die dunklen Straßen und fand tatsächlich nichts – merkwürdig. Wo gehen die Leute denn abends hin um sich zu treffen?

In der Altstadt sah man nur Bistrotische, die mit rotem Wärmelicht beleuchtet waren – nicht meine Preisklasse. Keine Spur von kleinen, verrauchten Spelunken, wo Männer laut redend an der Bar sitzen; nur farbig beleuchtete Lounges, wo Touristen ihren Cocktail schlürfen.

Naja, wenigstens konnte ich mir meine Route zur Autobahn schon mal betrachten. Viel gibt es hier wohl nicht mehr zu sehen und der Tag war ja reich an Eindrücken. Morgen wird es weiter nach Süden gehen.

Näkemiin Helsinki

Heute geht die Reise weiter nach Tallinn – Ankunft: 21:30 Uhr. Zum Abschluss wird nochmal sauniert. Rucksack ist gepackt, jetzt muss ich nur noch mein Grillgut loswerden und mich selbst etwas grillen lassen.

Die letzten Stunden vor der Weiterreise verbrachte ich in der Sompa Sauna. Dort lernte ich Pasi, Riina und Jukka kennen, die quasi zum Urgestein der Sauna gehören. Wir haben gemeinsam gegrillt und uns nett unterhalten. Riina wusste zwei deutsche Sätze: „Hast du eine Lederhosen?“ und: „Bist du ein Körperbehinderter?“, was ich sau komisch fand. Ich habe Jukka ein paar Socken und ein Pflaster gegeben und bekam Bier – ein guter Tausch. Pasi hat vor kurzem eine Campingtour durch Portugal gemacht. Sehr nette Leute, wie die meisten an diesem schönen Ort.

von links: Pasi, Riina und Jukka
von links: Pasi, Riina und Jukka

Als es Zeit wurde zu gehen, lief ich an die Tram-Station und fuhr zum Hafen. Dort checkte ich ein und betrat das Schiff.

Als erstes suchte ich eine Steckdose um meinen Akku zu laden und fand diese in der Bar des Schiffes. Meinen Rucksack ließ ich auch dort und erkundete das Schiff. Ich wollte zum Supermarkt um dort zollfrei Zigaretten und Alkohol zu kaufen. Auf dem Weg dorthin traf ich drei Deutsche, die die gleiche Absicht hatten. Da der Verkauf erst nach der Abfahrt legitim ist, war der Laden noch zu. Zurück in der Bar, traf ich die Drei wieder und wir kamen ins Gespräch. Anschließend gingen wir in den Supermarkt und einer kaufte einen 3-Liter-Pack Rotwein. Damit zogen wir uns aufs Deck zurück und verbrachten die Zeit in geselliger Runde. Als der Pack leer war, erreichten wir bereits Tallinn und ich verabschiedete mich hastig um noch zeitig zum Supermarkt zu gelangen. Dort angekommen wurden die Gitter gerade herunter gefahren und ich machte eine theatralische Geste, „nooooooo“ ausrufend. Die Bediensteten hatten Erbarmen und öffneten das Gitter erneut – so kam ich doch noch zu meinen zollfreien Zigaretten.


Übrigens: es gibt neue Bilder.


Das Schiff kam verspätet an, aber immer noch ausreichend Tageslichtzeit. Während der Fahrt konnte mein Akku sich voll aufladen und so bloggte ich erstmal, bevor ich das Hafengebiet verließ. Ein Check in Google Maps verriet, wo die grünen Flächen sind und so steuerte ich einen Park an, der nicht weit weg war. Die Anlage bestand aus großen Rasenflächen, die mit weit auseinander liegenden Baumgruppen geziert und mit Schotter aufgeschütteten Gehwegen umschlossen waren. Keine Büsche, keine toten Winkel – ungünstig für ein unbemerktes Lager. Doch da das Tageslicht immer schwächer wurde, wählte ich einen Baum, dessen Äste ringsum bis zum Boden reichen und so einen mäßigen Sichtschutz bieten. Dennoch ist ein Weg mit einer Bank in Sichtweite, was nicht ideal ist. Doch für heute muss das reichen – der Wein sagt mir: „scheiß drauf“. Morgen finde ich sicher eine bessere Stelle. Doch was den Boden betrifft: herrlich! (verglichen mit den Felsen in Helsinki) – meinem Rücken geht einer ab 😜

…und nochmal Sauna

Heute bin ich wieder zum Lidl, der auch sonntags geöffnet hat, um anschließend wieder zur Sauna zu gehen. Der gestrige Tag wird sich heute wiederholen…

Habe ein Fährticket nach Tallinn gebucht. Morgen Abend werde ich baltisches Festland erreichen.

Als ich aus dem Lidl heraus kam, fing es an zu regnen. Ich brachte die Einkäufe zum Zelt, frühstückte und wartete, ob der Regen nachlassen würde. Als ich den Donner hörte, wusste ich, dass das noch länger andauern könnte. Der Regen wurde stärker und ich schief erstmal um etwas Zeit tot zu schlagen. Gegen 17 Uhr hatte sich das Wetter beruhigt und ich mache mich auf den Weg zur Sauna.

Die Sauna war, wie immer, herrlich. Man trifft ständig neue und aufgeschlossene Menschen dort. So traf ich Alex und Fidan, zwei Belgier aus Brüssel, die auf Interrail-Tour sind. Leider wieder Dateifehler beim Selfi 🙁

Wie ich gehört habe, ist es das letzte Jahr, in dem die Sauna dort betrieben wird. Wenn die Bauarbeiten weiter voran schreiten, muss die Sompa Sauna einen anderen Ort finden. Aber die Menschen hier sind kreativ und werden sicher eine Lösung finden.

Wenn ich erzähle, wie ,in Deutschland, ein Handtuch schwingender Saunameister irgendwelche Lavendelblütendüfte anpreist, zur vollen Stunde seinen Aufguss durchführt und anschließend alle Saunagäste klatschen, sorgt das bei den Finnen immer für großes Gelächter. Hier wird ca. alle 5 Minuten Aufguss gemacht…

Sauna, Sauna und Sauna

Gestern ging ich zum Lidl um Frühstück und Grillgut zu kaufen. Anschließend steuerte ich direkt die „Sompa Sauna“ an, wo sich erst eine Handvoll Leute aufhielten. Ich schnappte mir die Säge und sägte Feuerholz zurecht. Als ich alle Kisten mit Holz befüllt hatte, kam George auf seinem Motorrad. Er kommt häufig hierher, um die Leute zu massieren – ein Hobby von ihm. Er kommt ursprünglich aus Israel und hatte ebenfalls vor zu grillen. So saßen wir zusammen und teilten unser Essen. Als gelernter Koch hatte er natürlich sagenhaft gute Sachen im Gepäck. Ich pflückte einen neuen Strauß Blumen für den Tisch, weil der alte verwelkt war. Er hatte am Vortag den Kamin gereinigt und einen ganzen Eimer Nägel aus dem Ofen geholt. Seitdem schafft die große Sauna zwischen 90 und 100 °C.

Es kamen immer mehr Leute und gegen Abend waren es ca. 50 – alle Altersklassen und durch alle Schichten. Wilhelm, den alle Wille nennen, kam auch wieder und brachte einen Freund mit. Wir haben später ein Bündel Birkenzweige vom Baum abgemacht und mit in die kleine Sauna genommen, die locker 115 °C schafft. Die Zweige werden in den Wassereimer getunkt, kurz auf den Ofen gelegt und anschließend auf den Rücken geschlagen. Das nennt man Wichtl und regt die Durchblutung an. Nach dem vierten Aufguss ist das kaum noch zu ertragen.

Als der Alkoholpegel stieg und die Leute ausgelassener wurden, verwandelte sich die große Sauna in eine Gesangsbude. Alle stimmten in  die finnischen Lieder mit ein, nachdem einer eines ansang und klatschten dabei.

So habe ich den ganzen Tag dort verbracht und ich kann mir nicht vorstellen, was Helsinki besseres zu bieten haben könnte.

Die Befestigungsinsel

Der neue Tag begann sonnig und so stand ich gleich auf und ging zum Lidl. Meine Vorräte waren erschöpft und ich brauche dringend Essen. Leider war kein Rentierfleisch im Sortiment, von dem mir Wilhelm am Vortag vorschwärmte, also gute deutsche Rostbratwürste. Außerdem Bananen, Äpfel, Krautsalat, Brot, Heringe, Croissants und Milch – 20 €. Ich brachte die Einkäufe zum Zelt und bloggte anschließend. Heute werde ich mir die Befestigungsinsel ansehen.

Vom Zoo aus fährt ein Bus in die Stadt. Die Fahrkarte gilt auch für die Fähre. Ich musste mich etwas durch fragen, doch fand die Anlegestelle schließlich. Timing war gut – das Schiff legte gerade an.

Auf der Insel angekommen, erkundete ich zunächst die kleineren Inseln. Dort sind vorwiegend Wohnhäuser und eine Kaserne. Hinter den Gebäuden führen enge Trampelpfade steile Hänge hinauf, wo Bunkeranlagen eine Hügellandschaft formen. Auf einem Aussichtspunkt war eine Hängematte angebracht. Ich zog die Schuhe aus und legte mich hinein. Die Wolken formten diffuse Gebilde und der Wind strich mäßig über die Haut. Nach einiger Zeit stand ich auf und lief weiter, an alten Kanonen vorbei. Man konnte weit sehen – einige markante Gebäude Helsinkis waren leicht zu erkennen. Auf den Steinen am Ufer saßen grüppchenweise Leuten, hinter ihnen die weite See.

Die beiden Hauptinseln bildeten den Kern der Befestigungsanlage, die eine beachtliche Größe hat. Wenn man auf die Mauer steigt, wo weitere Kanonen stehen, bekommt man eine Vorstellung, warum diese Insel von strategischem Interesse war. Man hat eine gute Sicht in alle Richtungen und alle Schiffe, die aus dem Osten nach Helsinki wollen, müssen die Insel passieren. Hinter den Befestigungsmauern sind Fenster, hinter denen auch Kanonen standen. Diese Räume sind nach hinten offen und seitlich durch Gänge miteinander verbunden. So kann man, nur gebückt, durch stockfinstere Tunnel laufen und kommt dann irgendwo anders wieder raus. So lief ich stundenlang durch die Gänge und Gassen, bis es langsam Abend wurde. Die Fähren fahren im 20-Minuten-Takt und so kam ich wieder genau richtig zur Anlegestelle und fuhr zurück. Der Busbahnhof war auch nicht mehr weit und so kam ich gegen 20 Uhr an, holte meine Bratwürste, Brot und Salat aus dem Zelt, bloggte und lief anschließend Richtung Sauna.

Fortsetzung folgt…