Midsummer in Stockholm

Info: Nachtrag gestern


Die Nacht war regnerisch und auch am Morgen war damit noch nicht Schluss. Als das Prasseln schließlich nachließ, ging ich in die Stadt und holte mir Frühstück. Man sagte mir, dass alle Schweden heute Hering essen und so kaufte ich mir auch davon. Zurück zum Zelt, frühstücken und dann wieder in die Stadt.

Ich sprach einige Leute an, wo man heute so hin geht und mir wurde ein Park in kuzer Entfernung nahe gelegt. Dort angekommen, war ich etwas enttäuscht. Ich hatte mir sowas wie Livemusik, Tanz und Partystimmung vorgestellt – schließlich war Nationalfeiertag. Warst du am 14. Juli schon mal in Frankreich? Da herrscht Ausnahmezustand, in jedem noch so kleinen Kaff! Stattdessen fand ich ein gewöhnliches Parkbild, wie man es jeden Tag und überall sieht, vor. Anscheinend wird Midsummer vorwiegend im privaten Kreis gefeiert – ist halt nur cool, wenn man jemanden kennt… Aber ich mach mir mein eigenes Fest, wenn die Hauptstadt schon nichts auf die Beine bekommt. Vielleicht hab ich auch nur die falschen Leute gefragt und war an den falschen Orten – mir kam es nur so vor, als wäre weniger los als sonst.

Zur Feier des Tages gönnte ich mir einen Six-Pack Heineken und ging zu „meiner“ Insel zurück. Dort hatte ich zuvor schon mehrere Grüppchen von Leuten gesehen, die gegrillt und getrunken hatten. Es hatte den Anschein, als würde jeder sein eigenes Ding machen – von Gemeinschaftsgefühl war nicht viel zu spüren.

Naja, sicher werde ich dort Anschluss finden und vielleicht auch meine erste Einschätzung revidieren. Fortsetzung folgt…


Durch eine Internetrecherche erfuhr ich, dass man, wenn man am Midsummer in Stockholm ist, unbedingt nach Skansen muss. Gutgläubig ließ ich mich auf diesen „Tipp“ ein, und kaufte ein Ticket für die Metro, das, wie ein Passant erklärte, auch für die Fähre gilt. Stockholm besteht ja größten Teils aus Inseln, was es schwierig macht die Stadt zu Fuß zu erkunden. Als ich so auf der Fähre stand und die angesteuerte Insel langsam näher kam, hatte ich schon ein ungutes Gefühl. Man sah zwei Freefall-Tower ein Riesen-Kettenkarussell und diverse Achterbahnen, die von bunten Lichtern beleuchtet und kreischenden Stimmen begleitet wurden.

An Land angekommen, fand ich mich auf einem Rummel wieder, was das letzte war, dass ich erfahren wollte. Doch da ich auf der Karte gesehen hatte, wie groß die Insel ist, gab ich ihr noch eine Chance und lief weiter. Ein Schild zeigte „Skansen“ an und ich folgte der Richtung. Dort wurde ich erneut überrascht: der Eingang zu einem Themenpark mit 20 € Eintritt. Ich schaute mir das Schild vor dem Eingang an, das eine Karte des Areals abbildete und hörte Unterhaltungen in deutscher Sprache um mich herum. Nun wusste ich endgültig, dass ich hier falsch bin. Ich wollte mich unters Volk mischen, Midsummer so wie die Einheimischen verbringen und nicht auf einem Touristenmagnet die inszenierte Version erleben – so wie Schweden nach außen hin aussehen soll.

Mein Ticket war noch immer gültig und so kehrte ich um und nahm die nächste Fähre zurück – so bin ich wenigstens einmal Fähre gefahren. In der Metro kam ich 10 Minuten vor Ablauf der Karte an – passte genau. Also verfolgte ich, nach diesem kleinen Abstecher, den ursprünglichen Plan und lief zu „meiner“ Insel.

Die erste größere Gruppe von Leuten steuerte ich an und setzte mich in die Runde um endlich meinen Hering zu essen, den ich, zusammen mit dem Six-Pack, die ganze Zeit mit mir herum getragen hatte. Man gab mir noch etwas Kartoffelsalat, Baguette und eine andere Sorte Hering mit Dill. Meiner war eingelegt, mit Karotten, Zwiebeln und Pfefferkörnern – die klassische Version des Nationalgerichts. So sprach ich über meine Reise – vorwiegend mit dem, der mir gegenüber saß. Er gab an, in einer ähnlichen Situation gewesen zu sein, als ich vor meiner Abreise und versuchte mich als Bittsteller darzustellen. Um nicht unhöflich zu sein, ging ich in eine defensive Haltung und erläuterte meine Beweggründe. Ich glaube er war einfach nur neidisch, weil er sich nicht getraut hätte, sowas durchzuziehen… Als der Großteil der Gruppe sich auflöste, blieben noch drei Leute zurück und da begannen die Gespräche konstruktiv und interessant zu werden. So saßen wir noch eine Weile beisammen, bevor auch sie sich verabschiedeten.

Ich lief dann ein Stück weiter und vernahm Gitarrenmusik. Vier Musiker, umringt von Zuhörern, gaben schwedische Mundart zum besten. Verblüfft und entzückt blieb ich stehen und hörte zu. Als das Stück zu Ende war, fragte ich, ob ich teilhaben könnte und setzte mich ins Publikum, das aus etwa 15 – 20 Menschen bestand. Einer spielte eine kleine Gitarre, die wie eine Geige aussah, eine Frau spielte Mundharmonika, einer trommelte den Takt auf dem Gitarrenkoffer und ein vierter Sang inbrünstig.

Ich habe einen kurzen Teil mitgeschnitten. Leider war es schon dunkel, weshalb das Bild nichts wurde. Aber der Sound gibt eine kleine Impression dieses einmaligen Erlebnisses:

Als das letzte Tageslicht verschwand, löste sich auch diese Gruppe auf und ich half mit, den Platz vom Müll zu säubern, bevor ich frohmütich zum Zelt zurück ging.

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