Amsterdam Tag 2

Melodische Vogelklänge lösten den durchaus guten Schlaf ab und sorgten für einen angenehmen Übergang von Traum- zu Wachstadium. Es war 5:30 Uhr, fühlte sich aber auch nicht anders als 9:00 Uhr an. Also stand ich auf und ging zur Rezeption, die durchgehend besetzt ist. Dort bekam ich kochendes Wasser für Kaffee und ein Croissant von gestern umsonst – zum Tunken besser als ein frisches. Außer mir und dem Nachtwächter, war noch keine Menschenseele auf den Beinen – nur die vielfältigen Vogelstimmen begleiteten die angenehme Stille. So setzte ich mich an einen Tisch und verfasste den gestrigen Beitrag. Allmählich kamen die ersten Camper und auch ein paar neue – vier Franzosen, die ihr Zelt gegenüber von meinem aufbauten. Haben kurz geredet, sie kommen aus der Bretagne.

Ich wollte duschen, hatte aber immer noch keine Seife. Also bin ich zu Roys Zelt, von dem ich wusste, dass er früh wach ist. Ich war überrascht, als ich ihn, mit Federschmuck, Kerzen und Räucherstäbchen, den Koran zu seiner Linken, in seinem Zelt sitzen sah.

Ron in seinem Zelt
Roy und ich in seinem Zelt

Mehr heute Abend…


…oder auch nicht…

Zu viel erlebt und zu wenig Zeit. Es ist jetzt 4:00 Uhr und ich muss morgen früh raus. Hab mich entschieden noch eine nach Nacht zu verlängern und zu der Vortagsreihe über psychedelische Substanzen in der Psychotherapie zu gehen. Hoffentlich finde ich morgen die Zeit, die Lücke des heutigen (mittlerweile gestrigen) Tages nach zu tragen, bevor alles verblasst… Dafür hab ich reichlich neue Impressionen. Tot ziens…


Nachtrag:

Roy liest den Koran, den er von einem Geistlichen geschenkt bekommen hatte, aus Interesse und weil er seinen muslimischen Mitmenschen zum Dank verpflichtet sei. Sie hätten ihn stets respektvoll behandelt und ihm hin und wieder Essen oder Geld gegeben. Er sieht den Koran nicht als religiöses Buch, sondern vielmehr als ein Ratgeber für das zwischenmenschliche Miteinander. Sein Federschmuck besteht aus einem Stirnband, das eine Frau in Peru für ihn genäht hat und neun Federn. Neun sei eine heilige Zahl, da sie Vollkommenheit symbolisiert, erklärte er. Die Federn hättt er von einer Gänsefamilie, die ihre gerade verloren hatte. Er sei auf die Knie gegangenen und hätte um Erlaubnis gefragt die Federn aufzusammeln, was er dann auch tat, ohne dass die Gänse erschreckt gewesen wären. Und so redeten wir noch eine Weile, bevor er mir Duschgel schenkte, das ein anderer Camper da gelassen hatte, von dem er auch sein Zelt „geerbt“ hatte.

Also erstmal duschen und ab in die Stadt. Zuerst bin ich zur Apotheke um die Ecke, Pflaster kaufen und klebte die Zehen ab, die rot waren. Die ersten schmerzfreien Schritte waren ein Segen. Ein Stück weiter kaufte ich einen Apfel und leichten Schrittes, da ohne Rucksack, ging es weiter in Richtung Fähre, um über den Fluss zu kommen. Auf dem Weg dorthin vernahm ich den Geruch von Fisch und holte mir Kibbling spezial – gegrillter Kabeljau mit Remoulade, Zwiebeln und Gurken, was köstlich war.

Ohne bestimmtes Ziel und ohne Karte, ging durch die menschenreichen Straßen Amsterdams mit seinen vielen Brücken. So hatte ich gute 8 Stunden gehend verbracht, bevor ich gegen 18:00 Uhr wieder auf dem Campingplatz ankam und erstmal ne Stunde schlief. Hab dann die drei Deutschen Studenten wieder getroffen und mich, nachdem ich mir ne Frikanel und Kroketten geholt hatte, dazu gesetzt um zu essen. Wir redeten noch ne Weile, bevor sie sich dem Schlafen widmeten. Leider weiß ich nur noch einen Namen…

schreibt mir, wenn ihr das lesen solltet, dann vervollständige ich den Bildtext!

Nellie rechts
Nelli rechts

Danach hab ich noch eine Deutsche aus Thüringen, einen Amerikaner aus New York, sowie ein russisches Pärchen aus Moskau kennen gelernt. Beide Männer waren Programmierer, soviel ich weiß. Wir saßen gemeinsam am Feuer und redeten bis in die frühen Morgenstunden über die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Unterschiede unserer Herkunftsländer. Gegen drei Uhr ging ich schlafen, obwohl ich noch gerne länger in dieser Konstellation geredet hätte.

Wegen der schlechten Lichtverhältnisse, wären Bilder nichts geworden – das letzte war schon grenzwertig belichtet.

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